Teurer Systemwechsel mit ungewissem Ausgang

Teurer Systemwechsel mit ungewissem Ausgang

Die beiden EVP-Nationalrätinnen Maja Ingold (ZH) und Marianne Streiff (BE) haben die Volksinitiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ einer Neubeurteilung unterzogen. Sie sind zum Schluss gekommen, dass man mit dem Krankenkassen-Aufsichtsgesetz und der laufenden Teilrevision des Krankenversicherungsgesetztes (KVG) in naher Zukunft mit erheblichen Verbesserungen des Gesundheitssystems rechnen könne. Zudem sei ein Systemwechsel zu riskant, zu teuer und würde die Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger zu stark einschränken.

Die EVP unterstützt grundsätzlich die Anliegen der Initianten, die ein „günstigeres, einfacheres und gerechteres“ Gesundheitssystem fordern. Maja Ingold (ZH) hat die Volksinitiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ in der Anfangsphase unterstützt, vor allem um Druck auf die Krankenkassen auszuüben, damit diese die Risikoselektion abschaffen würden. Nach eingehender Prüfung haben sich nun die beiden EVP-Parlamentarierinnen, gegen die Einführung einer Einheitskasse ausgesprochen. Als logische Konsequenz zieht sich Maja Ingold (ZH) aus dem Initiativkomitee und dem Trägerverein zurück. Dies gab sie heute im Nationalrat bekannt.

 

Wichtige Verbesserungen aufgegleist

Unter dem Druck der Initiative wurde Einiges erreicht. Zum Beispiel punkto Risikoselektion: Der heute geltende Risikoausgleich zwischen den Krankenversicherern wurde 2012 eingeführt und wirkt der diskriminierenden Selektion der Risiken durch die Krankenkassen entgegen. Der Risikoausgleich soll nun gesetzlich verankert und mit zusätzlichen Kriterien verfeinert werden. Dies schlägt der Bundesrat in seinem aktuellen Entwurf für eine Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) vor. Auf diese Weise soll für Krankenversicherer der Anreiz wegfallen, sich durch Risikoselektion einen Vorteil zu verschaffen. Das seien „wichtige Schritte in die richtige Richtung und ganz im Sinne der Initiative“, meint Maja Ingold. Fällt die Risikoselektion weg, könne man von einem funktionierenden Wettbewerb ausgehen, der den Versicherten langfristig zu Gute kommen würde. Somit sei ein wichtiges Argument, um diese Initiative zu unterstützen weggefallen.

Es zeichnet sich zudem ab, dass unter dem Druck der Initiative das Krankenkassen-Aufsichtsgesetz nach dem Ständerat nun auch im Nationalrat durchkommen wird. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wird besser überprüft werden können, ob Prämien rechtmässig sind und ob die Versicherten alle gleich behandelt werden. Weiter erlaubt das Aufsichtsgesetz eine bessere Kontrolle der Reserven der Krankenkassen. „Angesichts der zu erwartenden Verbesserungen, gibt es keinen zwingenden Grund mehr, das bestehende System vorzeitig als klinisch tot zu erklären und etwas völlig Neues zu erfinden“, sagt Maja Ingold.

 

Zu hohe Kosten bei unsicherem Ausgang

Welche gigantischen Ausmasse ein Systemwechsel annehmen würde, war bei der Lancierung der Volksinitiative nicht abzuschätzen. Mittlerweile liegen erste Berechnungen vor. Das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie an der Zürcher Hochschule für Wirtschaft (ZHAW) rechnet mit Kosten von 1,56 bis 2,15 Milliarden Franken für eine Systemumstellung. Teuer sind vor allem die komplexen Parallelstrukturen, die für die Übergangszeit geschaffen werden müssen. Auf der einen Seite würde die neue Kasse aufgebaut werden und auf der anderen Seite müssten die bisherigen Kassen in einer Übergangszeit von mehreren Jahren weiterhin funktionieren. Dazu Maja Ingold: „Wenn wir einen Umbau wagen, dann müssen wir zuerst wissen, ob die neue Lösung wirklich besser ist als die alte. Dies kann man aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzen und deshalb ist die ganze Übung ein Blindflug.“

 

Keine Kosteneinsparungen in Sicht

Vergleicht man die Lohnskalen von öffentlich rechtlichen Einrichtungen mit denen aus der Privatwirtschaft, dann wird klar, dass man mit einer Einheitskasse, bei gleichbleibendem Personalbestand, nicht mit einer Reduktion der Administrationskosten rechnen kann. Ein grosses Heer von administrativen Mitarbeitern wird insgesamt mehr Lohnkosten produzieren und nicht weniger. Eine Ausnahme bilden nur die Manager. „Man muss schon etwas etatistisch sein, um daran zu glauben, dass eine Verstaatlichung von privaten Leistungszentren automatisch zu Kosteneinsparungen führen wird“, bringt es Maja Ingold auf den Punkt. Zudem sei das Risiko, dass die Kosten wegen mangelndem Wettbewerb steigen würden real; und deshalb nicht vertretbar.

 

Bei Ärger kein Wechsel mehr möglich

Wer sich heute über seine Krankenkasse ärgert, kann die Kasse wechseln. Bei einer öffentlich rechtlichen Einheitskasse wäre dies nicht mehr möglich. „Bei einer Einheitskasse verlieren die Versicherten für immer die Freiheit, die Kasse zu wechseln“, betont Maja Ingold. Bürgerinnen und Bürger wären dem Staatsmonopol mangels Alternativen völlig ausgeliefert. Das sei „keine angenehme Vorstellung“.

Das heutige System mit einem regulierten Wettbewerb und Wahlfreiheit hat sich bewährt, obwohl es immer noch Optimierungsbedarf gibt. Die Kassen sind heute gezwungen, ihr Angebot laufend zu überprüfen und zu verbessern. Dieser Wettbewerb würde bei einer Einheitskasse, ausser bei den Zusatzversicherungen, wegfallen. Der Markt für die nicht obligatorischen Zusatzversicherungen bliebe offen, aber mit der Konsequenz, dass die Versicherten sich mit zwei total unterschiedlichen Administrationen konfrontiert sähen. Das jetzige System sei zwar nicht perfekt. Es wäre aber falsch sich in dieser Sache vom eigenen Prämien-Frust leiten zu lassen, warnt Maja Ingold. Man müsse nun kühlen Kopf bewahren und optimieren, wo Handlungsbedarf bestehen würde.

 

Bern, den 05. März 2014/jdr