Unheimliche Patrioten

Unheimliche Patrioten

Patriotismus wird hierzulande mit Bodenständigkeit gleichgesetzt. Dabei reicht das Spektrum von der Politikfolklore einer Albisgüetli-Veranstaltung bis hin zur schlichten 1. Augustfeier eines touristisch noch nicht verdorbenen Bergdorfes. Patriotismus im staatstragenden Sinne ist aber mehr als das. Nur allzuoft wird dieser Begriffe jedoch genau von denjenigen korrumpiert, die vorgeben, sie allein seien in Sachen Patriotismus das Mass aller Dinge. Nachfolgend vier Beispiele.

Als Zeichen von Patriotismus gilt immer noch die zu Hause im Schrank aufbewahrte Dienstwaffe, sei es das Sturmgewehr oder die Armeepistole. Dies ungeachtet der Tatsache, dass pro Jahr 300 Tötungsdelikte, oft im eigenen Familienkreis, mit eben diesen Waffen begangen werden. Die Zeiten als man gefasst sein musste, ohne Vorwarnung deutsche, vom Himmel schwebende Fallschirmjäger mit der persönlichen Waffe, sozusagen vom Wohnzimmerfenster aus und ohne Umschweife unschädlich zu machen, sind nun wirklich vorbei.

 

Auch Symbole, die es eigentlich Wert sind in Ehren gehalten zu werden, sind vor den unheimlichen Patrioten nicht mehr sicher. Das weisse Kreuz im roten Feld wird neuerdings nur noch als Plus-Zeichen wahrgenommen, dies um Stimmung für die Fussball-EM zu machen. Den Werbegurus ist offenbar nicht mehr bewusst, welchen Ursprungs das Schweizer Kreuz ist. Das wird indessen die Fussballakteure nicht daran hindern, beim Abspielen der Nationalhymne in patriotischer Ehrfurcht zu erstarren.

 

Die Urschweiz gilt von jeher als Hort patriotischen Denkens und Handelns. Im Kanton Obwalden wird diese Gesinnung noch überhöht durch die Gestalt eines Bruder Klaus. Für die Kantonsgewaltigen ist das kein Grund auf Steuergeschenke an Superreiche zu verzichten. Dass nach Art. 127.2 der Bundesverfassung "der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten" ist, scheint in der Wiege des schweizerischen Patriotismus kein Thema und Solidarität ein Fremdwort zu sein. Bruder Klaus ist not amused.

 

In unserem Land, gepriesen wegen seiner landschaftlichen Schönheiten, haben ausländische Investoren ein leichtes Spiel, meist zu Lasten eben dieser Schönheiten. Beispiele belegen es: wird das Checkbuch gezückt, sind Zonenpläne bald einmal zurechtgebogen und ein Stück unversehrter Berglandschaft oder eine noch intakte, weiträumige Ebene im Mittelland ist mit

Unterstützung einheimischer Erfüllungsgehilfen der irreversiblen Veränderung preisgegeben. In Heimatbüchern, die zeigen wie es einmal war, lassen sich dann trefflich patriotische Krokodilstränen vergiessen.

 

Gerhard Kaufmann, Zentralvorstand EVP